GeoWerkstatt-Projekt des Monats März 2018
Projekt: Integrität und Kontinuität in der Binnenschifffahrt
Forschende: Studentisches Projektseminar
Projektidee: Verwendung des virtuellen Empfängers für eine sichere Binnenschifffahrt
Fahrerassistenzsysteme für Autos sind aktuell ein breit diskutiertes Thema. Um den Verkehr großer Lastkraftwagen von der Straße auf den Seeweg zu verlagern, sind gleichfalls entsprechende Assistenzsysteme notwendig. In der Binnenschifffahrt sind Durchquerungen von Brücken eine wesentliche Herausforderung, welche die Studierenden im Rahmen eines Projektseminars mit einem völlig neuartigen Ansatz, dem Virtuellen Empfänger (VirtRx), untersucht haben.
Heutzutage gibt es bereits in vielen Fahrzeugen Assistenzsysteme, die dem Fahrer zusätzlichen Komfort und Sicherheit bieten. Im Transportwesen wie zum Beispiel in der Binnenschifffahrt befinden sich derartige Systeme gerade in der Entwicklung.
Bei Binnenschiffen sind Durchquerungen von Brücken eine große Herausforderung für Assistenzsysteme: Häufig fallen Signale dabei teilweise oder sogar völlig aus und führen so zum Verlust der Integrität (Zuverlässigkeit) der Positionslösung. Gerade bei sicherheitskritischen Anwendungen ist eine Unterbrechung und wiederholte Reakquisition problematisch, da unterbrochene Signale zunächst durch einen gesonderten Algorithmus auf Korrektheit und Sicherheitsaspekte hin untersucht werden müssen. Im Flugverkehr ist dafür eine Zeit von 150 Sekunden vorgesehen. In dieser Zeit steht das Signal nicht für die Positionslösung zur Verfügung.
Für eine unterbrechungsfreie Signalverfolgung muss ein erheblicher Aufwand getrieben werden. Das Projekt „Der virtuelle GPS-Empfänger in der Binnenschiffahrt“ beschäftigt sich genau mit diesem Thema und untersucht die Anwendbarkeit eines erfolgreiches Konzeptes aus dem Flugverkehr (Kube et al. 2018). auf die Einsatzfähigkeit für die Binnenschifffahrt.
Dieses Konzept, der Virtuelle Empfänger, kann das Sichtfeld einer einzelnen Antenne künstlich erweitern. Notwendig dafür sind hierfür:
zwei GNSS-Antennen sowie
der 3d-Vektor der beiden Antennen.
Hiermit lassen sich die Beobachtungen der einen Antenne auf den Ort der zweiten Antenne referenzieren. Doch ist damit auch eine durchgängige Kontinuität der GNSS-Beobachtungen bei Brückendurchquerungen zu erwarten?
Um das Konzept zu testen, stattete das Institut für Erdmessung die MS Wissenschaft 2016/2017 mit zusätzlichen GNSS-Sensoren aus. Es erfolgte eine geometrische Aufmessung des Schiffes und die Bestimmung des 3d-Raumvektors der beiden Antennen, die ca. 55m weit voneinander entfernt sind.
Die Fahrt führte von Hannover über den Mittellandkanal bis nach Sachsenhagen und Minden. Für den Virtuellen Empfänger wurde die Strecke Hannover- Sachsenhagen analysiert, in der die MS Wissenschaft genau 30 Brücken durchquerte.
Die Studierenden untersuchten die Qualität der empfangenen GNSS-Signale sehr genau. Dabei stellten sie fest, dass die Art der Signalunterbrechungen sogar unterschiedlichen Brückentypen (Stahlbrücke, Bogenbrücke, etc) zugeordnet werden kann. Zudem wurde der virtuelle Empfänger auf Basis der Code-Messungen implementiert. Damit lässt sich die Positionsgüte deutlich verbessern und auch die zur Navigation verwendete Geometrie ist so wesentlich stabiler als bei einer herkömmlichen Einzelpunktbestimmung (Abb. 5)
Kube F., Bischof C., Alpers P., Wallat C., Schön S. (2018): A virtual receiver concept and its application to curved aircraft-landing procedures and advanced LEO positioning, GPS Solution, 22:41
DOI: 10.1007/s10291-018-0709-y