GeoWerkstatt-Projekt des Monats Mai 2019
Projekt: Hochfrequente Erfassung der Gleisgeometrie mit höchsten Genauigkeiten
Forschende: Prof. Dr.-Ing. Ingo Neumann, Dr.-Ing. Jens-André Paffenholz, Dr.-Ing. Ilka von Gösseln, M. Sc. Johannes Bureick, M. Sc. Dmitri Diener
Projektidee: Erhöhung der Sicherheit des Bahnverkehrs durch genauere Deformationsmodelle
Starke Hitzewellen wie im letzten Sommer haben großen Einfluss auf den Zustand unserer Verkehrsinfrastruktur: Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen durch aufgeplatzte oder aufgeweichte Fahrbahnen oder Blow-ups auf der Start- und Landebahn des Flughafens Hannover gehören zu den Folgen. Auch auf Bahnstrecken wirkt sich die Hitze aus. Die Gleise dehnen sich durch die hohen Temperaturen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer sogenannten Gleisverdrückung - im Gleis entsteht eine Ausbeulung. In der Folge muss die Strecke gesperrt werden, da Gleisverwerfungen die Sicherheit für die Zugfahrten gefährden. Es ist also wichtig, die Grenzen der Gleislagestabilität zu kennen.
Welche Temperaturbereiche sind für welche Art von Gleis kritisch? Wie schnell dürfen Züge bei diesen kritischen Temperaturen noch fahren? Um diese Fragen zu beantworten und ein entsprechendes Modell zu entwickeln, wurde ein weltweit einmaliger Großversuch in der Nähe von Orxhausen auf der ICE-Schnellstrecke Hannover-Göttingen von der Deutschen Bahn durchgeführt. Ein Gleis wurde im Rahmen des Versuchs solange erhitzt, bis eine Gleisverwerfung eintrat. Zuletzt wurde ein derartiger Versuch im Jahr 1987 durchgeführt, also vor etwas mehr als 30 Jahren.
Das Geodätische Institut Hannover (GIH) der Leibniz Universität Hannover (LUH) hat diesen einmaligen Versuch mit hochgenauen Sensoren der Lasermesstechnik begleitet. Die Herausforderung war die hochfrequente Erfassung der Gleisgeometrie mit höchsten Genauigkeiten. „Die messtechnische Durchführung war sowohl von der zeitlichen und räumlichen Anforderungen als auch von den geforderten Genauigkeiten absolut am Limit“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Ingo Neumann (Leiter des GIH). Die hochfrequente Messung war notwendig, um den kurzen Moment (0,5 Sekunden) der Verwerfung hochgenau zu erfassen.
Zwei Stunden lang überwachten die Geodäten das Gleis mit vier Laserscannern, die mit einer sehr hohen Messrate von 50 Hz messen. So konnten sie seitliche Verschiebungen der Gleise auf weniger als einen Millimeter genau erfassen. Zusätzlich beobachteten die Wissenschaftler mit einem Lasertracker, wie sich die Lage und die Höhe vorher festgelegter Punkte auf den Schienen und Schwellen sowie die Position und Stabilität der vier Laserscanner währenddessen veränderte. Lasertracker verfügen über ein besonders genaues und schnelles Streckenmessverfahren, wodurch unter besten Bedingungen die Position von Punkten im Raum auf weniger als einem Millimeter genau bestimmt werden kann.
Insgesamt war während des interdisziplinären Projektes ein Instrumentarium im Wert von etwa 1 Mio. Euro im Einsatz. Prof. Ingo Neumann zeigt sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen des Versuchs: „Durch den Versuch war es weltweit erstmalig möglich das Verhalten des Gleiskörpers bei einem Verwerfungsversuch hochdynamisch zu erfassen“. Die Ergebnisse der Messungen fließen aktuell in die Berechnungen für neue Geschwindigkeitstabellen der Deutschen Bahn ein.
Seitens der Deutschen Bahn AG erfuhren die Ergebnisse, deren hohe Qualität und die professionelle Zusammenarbeit mit dem GIH höchste Anerkennung.